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SPD Neuruppin - mit Herz & Verstand für Stadt und Land

Ist die SPD eine bürgerliche Partei?

Ortsverein

Traditionsfahne der SPD 1873 für den ADAV gefertigt © Archiv der sozialen Demokratie

Eine Parteireform soll die SPD nach innen und nach außen öffnen. Mitglieder und Nicht-Mitglieder sollen gemeinsam "mehr Demokratie wagen!". In diesem Zusammenhang beleuchten wir in loser Folge interessante Fragen rund um die älteste und traditionsreichste Partei Deutschlands.

Den Anfang macht Matthias Gottwald. Der freie Journalist und Bildungsreferent in der "Werkstatt für Demokratie und Menschenrechte" ist seit 1994 Mitglied der SPD Neuruppin. In seinem Essay beschäftigt er sich mit der Frage: "Ist die SPD eine bürgerliche Partei?" und kommt am Ende zu einem klaren Ergebnis.

Der Begriff des Bürgerlichen Lagers, schreibt der Journalist Peter Pragal für das Internetportal dradio.de, galt „noch für das frühe 20. Jahrhundert und für die Weimarer Republik. Aber heute taugt die Definition nicht mehr. Die meisten SPD-Mitglieder sind keine Arbeiter, sondern Akademiker und Angehörige des öffentlichen Dienstes.“ Der gelernte Sozialdemokrat und Betonfacharbeiter Holger Börner (* 1931, † 2006, von 1976 bis 1987 hessischer Ministerpräsident) formulierte es so: „August Bebel hat 1894 die deutsche Lehrerschaft aufgefordert, in die SPD einzutreten. Davon hat sich die Partei bis heute nicht erholt.“

Die besten Treffer liefern Pointen mit einem wahren Kern. Ist die Partei bürgerlich geworden?

Jedenfalls ist die SPD nach eigenem Verständnis eine Volkspartei, die für Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität steht. Es sind ihre Grundwerte, seit die deutsche Sozialdemokratie 1863 im Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein begründet wurde. Sie stehen für die Emanzipation der arbeitenden Menschen, für das Frauenwahlrecht, Chancengleichheit, menschenwürdige Arbeits- und Lebensbedingungen, für Demokratie, für die Menschenrechte. Sie stehen gegen Ausbeutung und Unterdrückung, gegen Rassismus und Ausgrenzung.

Die Partei hat bei der Verwirklichung ihrer Ziele nicht immer eine glückliche Hand gehabt und ihr sind manches Mal ihre Grundwerte aus dem Blick geraten. Ihre Herkunft aber lässt sich problemlos in der deutschen Arbeiterbewegung verorten.

Dabei hat die SPD schon als Klassenpartei über ihren Tellerrand hinausgeschaut. Sie hat als einzige Partei die erste deutsche Demokratie, die Weimarer Republik, vom Anfang bis zu ihrem Untergang verteidigt. Dabei war sie als Arbeiterpartei bis an die Grenze zur Selbstverleugnung gelangt.

1933 stimmte sie gegen das Ermächtigungsgesetz, das den Nazis in Deutschland freie Hand gab. „Die SPD kann stolz sein darauf, dass sie als einzige der demokratischen Parteien der Weimarer Republik dem Ansinnen Hitlers getrotzt hat. Die SPD hat damit nicht nur ihre eigene Ehre, sondern die der ersten deutschen Demokratie gerettet.“, sagt der Historiker Heinrich August Winkler auf spiegelonline.de. Die bürgerlichen Parteien hingegen hatten geschlossen für das Ermächtigungsgesetz votiert. Oder war die Sozialdemokratie „zu dieser Zeit schon weitgehend verbürgerlicht.“, wie der Publizist Wolf Jobst Siedler auf cicero.de meint? War der Satz von SPD-Chef Otto Wels im Reichstag: „Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht“ kein typischer Satz mehr „einer Arbeiterpartei, sondern der des demokratischen Gewissens“ (Siedler)?

Für die Kommunisten, die sich als die wahren Sachwalter der Arbeiterklasse verstanden und verstehen, wurden die Sozialdemokraten zu Sozialfaschisten und zum Hauptfeind innerhalb des Proletariats. Die KPD machte in ihrem Kampf gegen die demokratische Republik auch gemeinsame Sache mit den Nazis. Wie 1932, als die kommunistische „Revolutionäre Gewerkschaftsopposition“ und die „Nationalsozialistische Betriebszellenorganisation“ in Berlin gemeinsam zum BVG-Streik aufgerufen hatten, der den Nahverkehr in der Hauptstadt weitgehend zum Erliegen brachte, der zu Aufruhr führte und die Republik weiter ihrem Ende zutrieb. Stand die SPD mit ihrem Kampf für die parlamentarische Demokratie schon im bürgerlichen Lager?

Das kann den Sozialdemokraten dem Grunde nach wurscht sein. Von unserer Tradition her sind wir keine bürgerliche Partei. Der Begriff des Bürgerlichen Lagers, so überkommen er meinetwegen ist, kann uns bis heute sehr gut als Abgrenzungskriterium dienen gegen die Politik von CDU und FDP, die für Marktwillkür und Spaltung der Gesellschaft steht, für die Privatisierung der Gewinne und die Sozialisierung der Verluste – und letztendlich auch für das Versagen der bürgerlichen Parteien 1933 bei der Abstimmung über das Ermächtigungsgesetz.

(c) Matthias Gottwald

Eine ausführliche Chronologie der Parteigeschichte finden Sie hier und im Archiv der sozialen Demokratie (AdsD) der Friedrich-Ebert-Stiftung.

 
 

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